#3 Suan Mokkh | 10 Tage Silent-Retreat
Wenn ich schonmal in Thailand bin, dann möchte ich auch meditieren lernen beziehungsweise in das Kloster-Leben der Mönche eintauchen. Diejenigen, die mich gut kennen haben bei meinem Plan 10 Tage in einem Schweigekloster zu leben, nur geschmunzelt. Ja. Ich rede verdammt gerne und viel. Aber glaubt mir: Das Schweigen ist mir tatsächlich nicht allzu schwergefallen. True Story!
Ich gebe euch einen kleinen Einblick in das Leben in einem solchen Kloster – mit vielen Höhen und Tiefen und vor allem verrückten Emotionen.
International Dharma Hermitage of Wat Suan Mokkh
Obwohl sich an jeder Ecke in Thailand Tempel oder Klosteranlagen befinden, ist es als Frau gar nicht so einfach aufgenommen zu werden – und so spontan ohne Voranmeldung erst recht nicht.
Im International Dharma Hermitage of Wat Suan Mokkh läuft die Anmeldung allerdings sehr einfach und entspannt ab. Jeder kann sich am letzten Tag jeden Monats für die kommenden 10 Tage Schweige-Meditation registrieren.
- Kosten: 2.000 Baht (derzeit ca. 55 Euro) für den gesamten Aufenthalt – all inclusive
- Registrierung am Tag vor dem 01. jeden Monats von 07:00 – 15:00 Uhr
- Handy, Laptop, Kamera, Bücher, Mp3 Player werden am Tag der Registrierung abgegeben
- keine Zigaretten, Alkohol, sonstige Drogen
- du darfst 10 Tage lang nicht reden, singen, lesen oder schreiben
Generell verlierst du jegliche Art von Zeitgefühl während den 10 Tagen. Meine größte Sorge am Anfang war, dass ich morgens verschlafe oder zu spät an den jeweiligen Orten der Programmpunkte auftauche. Aber: Vor jedem Punkt auf dem Tagesprogramm wird eine große Glocke mehrmals geläutet. Und nach dem ersten Tag weißt du automatisch nach welchem Gong du wo sein sollst.
TAGESABLAUF
04.00 | Wake up
04.30 | Morning Reading
04.45 | Sitting meditation
05.15 | Yoga / Exercise – Mindfulness in motion
07.00 | Dhamma talk & Sitting meditation
08.00 | Breakfast & Chores
10.00 | Dhamma talk
11.00 | Walking or standing meditation
11.45 | Sitting meditation
12.30 | Lunch & chores
14.30 | Meditation instruction & Sitting meditation
15.30 | Walking or standing meditation
16.15 | Sitting meditation
17.00 | Chanting & Loving Kindness meditation
18.00 | Tea & hot springs
19.30 | Sitting meditation
20.00 | Group walking meditation
20.30 | Sitting meditation
21.00 | Bedtime
21.30 | LIGHTS OUT
- die mitgebrachte Kleidung sollte den Körper von Schultern bis Knie bedecken (keine körperbetonte oder durchsichtige Kleidung)
- Zusatz für Frauen: ein Sarong ist von Vorteil (muss zum Duschen getragen werden)
- es gibt einen kleinen Shop in dem du Hygieneartikel, Sarongs etc. günstig kaufen kannst
- die Mahlzeiten sind auch für Veganer geeignet
- Trinkfalschen können überall aufgefüllt werden (es wird gefiltertes Regenwasser getrunken)
Wunderschöne Anlage
Das Kloster liegt in einem wunderschön gepflegten Wald mit einigen Open-Air-Meditationshallen, einem großen See und vielen Vögeln, Geckos, Krabbeltieren und anderen Lebewesen (dessen Geräusche ich nicht zuordnen konnte).
Main-Meditationhall
Meine Unterkunft
Die Zimmer bestehen aus einem Holzbrett („Bett“) und einem Holzklotz, der von den Mönchen als „lovley wooden pillow“ (ha ha) bezeichnet wird. Welcome to the simple life!
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Meine erste Meditation
Die Gruppenmeditationen finden immer in der Main-Meditationhall (s.o.) statt. Die Männer sitzen auf der linken und die Frauen auf der rechten Seite. Es gibt Unterlagen, Kissen und Hocker, die dir die Möglichkeit geben eine bequeme Sitzposition zu finden. Die richtige Sitzposition ist super wichtig, da du schließlich die meiste Zeit am Tag sitzt.
Die erste Meditation fand noch am Abend der Registrierung statt. Ich persönlich wurde so direkt ins kalte Wasser geworfen. Meine erste 30-minütige Meditation sah folgendermaßen aus:
- Zehn Minuten: Mücken und Sandfliegen fuchtelnd abwehren
- Zehn Minuten: eine bequeme Sitzposition finden
- Zehn Minuten: den Ohrwurm in meinem Kopf genießen Havana, ooh na na. Half of my heart is in Havana, ooh na na.
Das lief ja richtig gut mit dem Kopf ausschalten …
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Tag 1 – 3 | Holt mich bitte hier raus!
Ganz ehrlich? Die ersten drei Tage waren schrecklich. Bis zum Frühstück lief am ersten Tag noch alles ganz okay. Ich bin pünktlich aufgewacht, bei der ersten Ansprache und Meditation nur einige Minuten eingeschlafen, der Yoga Kurs war generell ganz cool und das Frühstück war sehr lecker.
Nach dem Frühstück sollten die sogenannten Chores (Hausarbeiten), für die man sich am ersten Tag eintragen musste, erledigt werden. Ich hatte mich dazu entschieden, den Boden in unserem Wohngebäude zu wischen. Es tat richtig gut sich nützlich zu machen.
Dann ging es bergab. Die nächste Sitzmeditation verließ ich nach fünf Minuten und entleerte meinen Mageninhalt hinter dem nächstgelegenen Baum. Ganz klasse. Die nächsten 48 Stunden hatte mein Körper keine Lust auf jegliche Art von Mahlzeiten oder Flüssigkeiten.
In den ersten zwei Tagen lag ich also mit Fieber auf dem unbequemsten Holzbrett der Welt. Keine Medikamente – außer irgendwelche Kräuter, die mein Magen auch nicht so cool fand.
Ich lag also heulend auf meinem lovely wooden pillow (s.o. Bild 3) und dachte mir: Okay Fiona. Du verreckst hier in einer beschissenen Zelle in einem Kloster am Arsch der Welt. Und du kannst nicht mal mehr deinen Eltern Bescheid geben, dass du gerade stirbst.
Am dritten Tag schleppte ich mich dann wieder zum Frühstück und sah, dass es nicht nur mir schlecht ging. Keiner lächelte mehr. Alle Teilnehmer waren müde vom frühen Aufstehen, erschöpft von der Hitze, frustriert von den bisher gescheiterten Meditationen.
Was zur Hölle machten wir hier?
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Tag 4 – 7 | Die Tage sind endlos …
Die nächsten Tagen wurden tatsächlich besser. Ich konnte wieder normal essen und trinken und hatte genug Energie für das Tagesprogramm. Derzeitiger Gefühlszwischenstand:
- ich schlafe nur noch Mittags in der Hitze bei den Sitzmeditationen ein
- ich werde mittlerweile kurz vor dem Gong um 4.00 Uhr wach Whey!
- Erfolgsquote bei den Sitz-Meditationen: mein Hintern tut weh
- Gehmeditationen sind eher mein Ding
- ich liebe Yoga
- Boden wischen ist eine tolle Abwechslung zum Meditieren
- ich brauche eine große Umarmung
- einige Teilnehmer haben den Retreat bereits abgebrochen. Ich bin noch da. Keine Ahnung warum.
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Tag 8 – 10 | Es ist endlich bald vorbei!
Tag 8: Change vom Feinsten! Die letzten drei Tage gingen enorm schnell vorbei und inzwischen ist das Holzbett echt okay.
- ich bin innerlich total entspannt
- ich lebe den Tag nur so vor mich hin und die Stunden plätschern schneller vorbei
- meine Muskeln sind endlich wieder entspannt – Danke Yoga!
- ich hätte gerne ein Stück Kuchen zur Tea Time. Aber es gibt ab und zu verdammt leckeren Kakao
- ich sehne mich nach Tag 11 und einer Pizza
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Thinking, thinking eh … not thinking.
Die seltsamsten Dinge fallen dir ein, wenn du denkst obwohl du eigentlich nicht denken sollst. Das ist wirklich die schwierigste Herausforderung für mich gewesen in diesen zehn Tage. Mind-struggle vom Feinsten.
Okay. Wir haben gelernt, dass es wichtig ist alle Gedanken zu kategorisieren und dann einfach loszulassen.
Forget about the past.
Fiona, du kannst das.
Mein Hintern tut weh.
Ich vermisse meine Freunde.
Mama. Papa.
Meine Knie tun weh.
Heimweh.
Tom und Jerry (…?)
Schmerzen. Schmerzen. Schmerzen.
Exfreund.
Wann sind 30 Minuten endlich vorbei?
Wo kommen die Tränen her?
Gibt es eine Möglichkeit zu sitzen, die ich noch nicht ausprobiert habe? Ich glaube nicht …
Mir ist heiß.
Bett.
Oh, die Person da bewegt sich! Ich bin nicht die einzige, die leidet und nicht meditiert!
Ich muss aufs Klo.
Ah, Mücke! Aarghh
DONG. 30 Minuten vorbei.
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LESSONS LEARNED
FASTEN UND AUF LUXUS VERZICHTEN
Es gibt zwei Mahlzeiten am Tag – nach dem Mittagessen um 12.30 Uhr wird dementsprechend gefastet. Keine Sorge: Bei den heißen Temperaturen fällt es gar nicht schwer den Rest des Tages nur noch trinken zu dürfen. Da du keine großen Sightseeing-Touren machst oder Sport treibst verbrauchst du weniger Energie und Sitzmeditationen sind ohne einen vollen Magen ebenfalls entspannter.
Das Essen war für meinen deutschen Gaumen etwas zu scharf. Allerdings sehr lecker und vor allem langanhaltend. Aber jeden Tag das gleiche Frühstück? Ich genieße seit meinem Aufenthalt in Suan Mokkh den Luxus jeden Tag vielfältig zu essen.
Auch die knarrenden Hostelbetten sind ab jetzt ein Traum! Selbst der steife Nacken nach einem Powernap im Bus ist mir 1000x lieber als ein Holzbett. Wirklich – Schätzt bloß den Luxus einer Matratze.
KEIN MEDIEN-KONSUM
Kein Handy. Kein Laptop. Kein Buch. Kein MP3Player.
Es war echt okay auf das eigene Handy zu verzichten. Wenn ich mit Freunden zum Beispiel beim Abendessen bin, bleibt es sonst auch in der Tasche. Kein WhatsApp oder Instagram – alles wunderbar.
Allerdings war es echt ein seltsames Gefühl generell nicht zu wissen, was in der Welt derzeit passiert. Es hätte in Deutschland eine Epidemie ausbrechen können. Ich hätte es erst 10 Tage später erfahren. Meiner Familie hätte was zustoßen können. Ich hätte es erst 10 Tage später erfahren. Unter diesen Aspekten war es dann eher weniger berauschend keinen Kontakt zur Außenwelt zu haben.
SCHWEIGEN IST TOLL
Überraschender Weise ist mir das Schweigen echt nicht schwer gefallen. Am Anfang möchtest du noch allen Teilnehmern erzählen, was du für Gedanken bei der ersten Meditation hattest oder dass jetzt ein riesiger Gecko in deinem Zimmer wohnt. Mit der Zeit merkst du allerdings, dass diese Mitteilungen eigentlich gar nicht so wichtig sind. Du fängst an dich viel mehr mit dir selbst zu beschäftigen.
An Tag 11 sprudelten dann natürlich aus jedem Teilnehmer alle Erfahrungen heraus. Aber du lernst, dass Schweigen echt gut tut um die eigene Ruhe zu finden.
MEDITATIONEN = EMOTIONEN
Am 11. Tag hat mich ein Mönch gefragt wie für mich die ersten Meditationen waren, auf die ich mich richtig eingelassen habe. Meine Antwort: I cried at every meditation.
Ich habe generell viele Teilnehmer beobachtet, die nach den ersten Meditationen traurig in den Sand starrten oder sich die Tränen aus ihrem Gesicht wischten. Soviel dazu, dass man die innere Ruhe finden soll.
Die gesamte Situation vor Ort ist nicht einfach und du kannst nicht von jetzt auf gleich 30 Minuten lang deine Gedanken ausschalten und gechillt vor dich hin meditieren. Jeder Gedanke der in die aufflammt sagt dir, dass er wichtig ist und du dich mit ihm beschäftigen musst. Viele Teilnehmer sind nach einer zerbrochenen Ehe/Beziehung, dem tragischen Verlust eines geliebten Menschen oder einer gescheiterten Jobchance nach Suan Mokkh gekommen. Hier hast du keine Möglichkeit dich abzulenken und du denkst über jedes Ereignis (oft eher negative Erlebnisse) in der Vergangenheit nach. Immer wieder. Und du durchlebst immer wieder den gleichen Schmerz.
DIE MÖNCHE SIND DEINE MENTOREN
Schon aufgrund des ganzen Gedanken-Chaos in deinem Kopf, sind die Lesungen und Ansprachen der Mönche und Nonnen enorm wichtig. Jeden Tag hörst du die Sätze: Forget about the past. Don’t think about the future. Be in the present moment.
Ich sage euch: Diese zehn Tage hier sind besser als jede Show eines Motivationscoaches. Die Mönche leben dir ihr einfaches, glückliches Leben vor. In vielen Bereichen eine sehr extreme andere Lebensweise als es unsere oft ist. Da du eh zehn Tage dort bist, musst du dich eben darauf einlassen. Und nach diesen zehn Tagen spürst du deine eigene tiefe, innere Zufriedenheit.
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Tag 11 | Der Tag danach
Was habe ich als erstes danach in der „realen Welt“ gemacht?
Eine Stunde lang auf der Fähre zu meinem nächsten Ziel einen Sonnenbrand geholt. Have to work on my tan again! Meine Beine rasiert und die Augenbrauen gezupft. Ein Stück Pizza gegessen. Drei Stunden lang meine Lieblingsplaylist angehört. Vier Stunden lang telefoniert und geredet.
Was habe ich zusammenfassend mitgenommen?
Ich kann eine großartige neue Geschichte erzählen. Ich habe einige neue Vorsätze. Yoga ist gar nicht so langweilig wie zuvor angenommen. Ich schätze die alltäglichen Dinge (warme Duschen, eine Matratze, vielfältiges Frühstück), die plötzlich nicht mehr so selbstverständlich sind. Ja, Leute – ich kann zehn Tage schweigen! Alles dreht sich um Dukkha (diejenigen, die sich mit den buddhistischen Begriffen auskennen, wissen was ich meine). Eine Menge Mückenstiche.
Wie fühle ich mich?
Das ist sehr schwer zu beschreiben. Was ich allerdings definitiv sagen kann: Ich bin glücklich.
Ich bin glücklich, über die Dinge, die ich bisher in meinem Leben erreicht oder eben nicht erreicht habe. Ich bin mit meiner derzeitigen Situation mehr als zufrieden. Ich mache mir keine Sorgen über die Zukunft. Die Ereignisse aus der Vergangenheit sind passiert, aber ich kann sie jetzt nicht mehr ändern und das ist okay so. Ich bin unfassbar stolz, dass ich die zehn Tage durchgezogen habe.
Welche Worte der Mönche haben mich am meisten motiviert?
When you don’t have many choices, life is more simple.
All thoughts tell you that they are important – don’t believe them.
Life is now. Live in the present.
First, you have to love yourself. Then you can share love and give the right love.
No one have to tell you what to do or what to achieve.
Don’t change people with your words. Change them with your being.
All great men arise from great woman. That’s a fact.
You can’t change your past. Be here and move on.
Hiermit spreche ich eine Herzensempfehlung aus! Falls ihr in Thailand seid und die Planung zeitlich passt: Fahrt nach Suan Mokkh. Erlebt harte aber gleichzeitig unfassbar bereichernde Tage.
Lots of Love ♥
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